Es begab sich aber vor kurzer Zeit, dass sich drei Männer in einem Eiscafé zu Wuppertal trafen. Einer war ein in Wuppertal geborener Muslim türkischer Abstammung, ein anderer ein Christ, des Dritten Religion ist unbekannt. Die drei waren Freunde redeten über dies. Dann aber ging es um das Weihnachtsfest, denn der Muslim hatte schon Geschenke für seine Tochter besorgt. Das veranlasste den Christen in der Runde zur Frage, warum er denn als Muslim Weihnachten feiern würde. In kürzester Zeit eskalierte das Stimmungsbarometer. Fast fühlte man sich in ein jüdisches Lehrhaus versetzt, in dem die Talmudschüler mit Verve und Herzblut noch so alltägliche Fragestellungen auf Herz und Nieren prüfen, laut diskutieren und – wenn es denn sein muss – in leidenschaftlichem Streit friedlich auseinander gehen. So diskutieren auch der Christ und der Muslim mit Hingabe die feierliche Frage des Festes. Weihnachten lässt wohl niemanden kalt. Was glauben Sie denn?
Für Christen ist Weihnachten nach Ostern und Pfingsten das dritte Hochfest im Kirchenjahr. Die Menschwerdung Gottes wird gefeiert. Gott teilt das Schicksal seines menschlichen Ebenbildes. So heißt es im Hebräerbrief:
„Wir haben ja nicht einen Hohepriester, der nicht mitfühlen könnte mit unseren Schwächen, sondern einen, der in allem wie wir versucht worden ist, aber nicht gesündigt hat.“ (Hebr 4,15)
Jesus wird als Kind geboren, wächst heran und lebt das Leben eines Menschen bis zur letzten Konsequenz. Das Ende der irdischen Geschichte ist bekannt: sie endet am Kreuz– und ist für Christen dort doch nicht zu Ende. Erst weil dieser Gekreuzigte von den Toten auferstanden ist, bekommt auch sein Leben – und damit auch seine Geburt – Bedeutung und führt zu der Frage, wer dieser Jesus von Nazareth war. Die christliche Reflexion kommt schließlich zu dem Schluss, dass er wahrer Mensch und wahrer Gott ist. Das wird im Konzil von Nicäa im Jahr 325 n.d.Z. bekannt. Daran scheiden sich letztlich bis heute die religiösen Geister. Für Muslime ist Jesus der zweitwichtigste Prophet nach Mohammed – aber Sohn Gottes? Undenkbar! Für Juden ist Jesus ein Jude aus Nazareth – aber ist er auch der Christus, ein Messias? Bereits in frühkirchlicher Zeit war undenkbar, dass der Gesandte Gottes am Kreuz sterben konnte, heißt es doch in der Thora:
„Ein Gehenkter ist ein von Gott Verfluchter.“ (5. Mose 21,23)
Für Nichtglaubende aber sind das alles sowieso bloß alternative Fakten oder Märchen: Ein Engel soll der Jungfrau Maria die Zeugung eines Kindes verkündet haben …
Faktisch aber beschenken am Heiligen Abend wohl selbst die eingefleischtesten Religionskritiker ihre Liebsten und feiern Weihnachten. Die Einsamen sehnen sich in dieser Nacht nach Gemeinschaft. Und selbst jene, die all dem letztlich nichts abgewinnen können, können sich in unserer Kultur dem Fest nicht entziehen. Weihnachten ist damit im besten Sinn des Wortes „typisch katholisch“, denn das griechische Wort „katholon“ bedeutet lediglich „universell“. Römische Katholiken sind „römisch-katholisch“, weil sie dem römischen Ritus folgen. Das Katholische aber reicht viel weiter über alles Konfessionelle hinaus.
Es liegt wohl in der menschlichen DNA, dass die Geburt eines Kindes anrührt. Egal, ob und wie man nun glaubt oder nicht: Weihnachten wird in den nächsten Tagen gefeiert – und dazu gehört in diesem Jahr auch, dass just am Abend des 25.12. die achte Kerze an den jüdischen Chanukka-Leuchtern mit folgenden Worten entzündet wird:
„Gepriesen seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Du Wunder erwiesen unseren Vorfahren in jenen Tagen zu dieser Zeit.“
Wenn in einem Eiscafé ein Muslim und ein Christ über Weihnachten streiten und es doch auf je eigene Weise feiern, dann ist das einfach wunderbar. Feiern Sie wie auch immer ein frohes Weihnachtsfest und Chag Chanukka sameach!
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in einer gekürzten Version der Westdeutschen Zeitung vom 22. Dezember 2022.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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